5 Fragen an Raphael Benjamin Meyer

Raphael Benjamin Meyer wurde 1987 in Basel (Schweiz) geboren. Er studierte Blockflöte an der Schola Cantorum Basiliensis und Schulmusik II an der Hochschule für Musik in Basel. Als freischaffender Komponist arbeitet er heute in seinem eigenen Tonstudio. Neben Auftragswerken für Chor-, Kammermusik- und Ensembleformationen schreibt er Musik für Computerspiele sowie Kino- und Fernsehfilme, z.B. für die bekannte Schweizer Krimi-Serie „Der Bestatter“. Daneben unterrichtet Raphael B. Meyer Blockflöte und ist Dirigent mehrerer Blockflötenorchester.
Wir freuen uns, dass er uns für ein Interview zur Verfügung stand.

Wann hast du begonnen Blockflöte zu spielen und warum hast du dich für das Blockflötenstudium entschieden?
In der ersten oder zweiten Primarschule spielte ein Mitschüler ein Stück auf der Blockflöte vor. Das wollte ich auch können! Ziemlich erleichtert, dass ich nicht mehr an meinem früher geäußerten Harfen-Wunsch festhielt (eine Blockflöte findet schliesslich im Rucksack Platz und muss nicht im Eltern-Taxi an jede Probe gefahren werden), meldeten mich meine Eltern am nächsten Tag für den Blockflötenunterricht an.
Ähnlich „überstürzt“ bin ich später ins Blockflötenstudium gerutscht: eigentlich legte ich an der Musikhochschule die Aufnahmeprüfung für das Schulmusikstudium mit Chorleitung ab. Als der Studiengangsleiter aber mein Blockflötenspiel hörte, meinte er: „Du solltest Blockflöte studieren!“... und so kam es, dass ich ein paar Tage später – trotz schon lange verstrichenem Anmeldeschluss – durch die Hintertür zur Aufnahmeprüfung an der Schola Cantorum Basiliensis geschleust wurde, wider Erwarten einen der begehrten Studienplätze bekam und ein paar Wochen später mein 5-jähriges Blockflötenstudium begann.

In der Blockflötenszene bist du bekannt als Komponist effektvoller Musik wie z.B. der „Irischen Suite“. Aber du bist ebenso als Filmmusikkomponist tätig, u.a. für die Schweizer Fernsehserie „Der Bestatter“. Inwiefern unterscheidet sich deine Arbeit an den Kompositionen zwischen der Blockflöten- und der Filmmusik?
Im Film werden wichtige musikalische Parameter wie Spieldauer, Stimmung oder Tempo, aber auch Dynamik sowie die Entscheidung, wo die Musik melodisch sein und wo sie nur begleiten darf, vom Film selbst vorgegeben. Und wie die Filmmusik zu sein hat, welche Instrumente in ihr mitspielen dürfen, bestimmt in letzter Instanz - etwas überspitzt dargestellt - der Regisseur, Produzent oder Fernsehredakteur. Beim Film bin ich eben nur ein kleines Zahnrädchen am Ende der Produktionskette einer riesigen Maschinerie.
Bei Konzertmusik genieße ich natürlich viel mehr Freiheit. Melodien müssen sich keinem Dialog unterordnen und dürfen sich so lange entfalten, bis mir die Ideen ausgehen. Es ist egal, wenn ein Stück ein paar Sekunden oder gar Minuten länger dauert, es kommt ja kein Abspann, der mir diktiert, wann der letzte Paukenschlag erklingen muss. Außerdem darf Konzertmusik etwas virtuoser sein, weil die MusikerInnen vor dem Auftritt ja auch an einem Stück proben wollen. Bei Filmmusik-Aufnahmen wird die Musik hingegen vom Blatt eingespielt - auch weil die Zeitfenster bei Medienproduktionen oft so knapp bemessen sind, dass die Noten erst ein paar Stunden vor den Aufnahmesessions fertig werden.

In deinen Kompositionen für Serien, Filme und Games hört man immer wieder die Blockflöte heraus. Und umgekehrt zeichnet sich deine Musik für Blockflöten durch viele Effekte aus, die auch in Filmen eine gute Wirkung hätten. Würdest du dich damit als Vorreiter in der Blockflötenmusik sehen oder ändert sich hier die Tradition der Blockflötenmusik ohnehin gerade?
Schlußendlich komponiere ich einfach „meine“ Musik, und da „mein“ Instrument die Blockflöte ist und man auf ihr so viele unterschiedliche Dinge machen kann, kommt ihr in vielen meiner Kompositionen eine tragende Rolle zu. Ob ich nun für die Bühne oder die Kinoleinwand schreibe, rückt während des Komponierens in den Hintergrund. Ich habe in erster Linie das Instrumentarium vor Augen, für das ich Musik schreibe, und weniger das Medium, in welchem die Musik erklingen wird. Während des Schaffens­prozesses experimentiere ich gerne, weil ich so auf Neues und Unerwartetes stoße. Der Zufall, oder ab und zu auch ein Unfall (etwa eine „falsche“ Note, mit der die Musik plötzlich in eine ungeplante Richtung verläuft), ist stets für eine Überraschung gut. Insofern sehe ich mich überhaupt nicht als Vorreiter, oftmals ist es eher die Musik selbst, die mich reitet und mir sagt, wo es lang gehen soll.


Die „Flötenorgel“* ist dein neuestes Projekt, gerade seid ihr mit den CD-Aufnahmen fertig geworden und im Oktober finden die Uraufführung und weitere Konzerte statt. Als du die ersten Stücke fertig hattest und sie mir schicktest, hast du geschrieben: „Die Flötenorgel ist das Projekt, das mich momentan am meisten begeistert.“ Was ist es, was dieses Projekt ausmacht und dich dafür so brennen lässt?
Die Flötenorgel ist im Jahr 2020 als kleines Projekt für „Zwischendurch“, als Zeitvertreib gegen Langeweile (Corona lässt grüßen) entstanden. Nur für mich. Für die Schublade komponiert (das habe ich schon seit sicher 10 Jahren nicht mehr getan). Ohne auf mitdiskutierende Auftrag­geber Rücksicht nehmen zu müssen und ganz ohne Zeitdruck. So dauerte es auch ungefähr zwei Jahre, bis alle Stücke der Flötenorgel fertig komponiert waren. Zuerst war es ja auch gar nicht klar, wohin die Reise überhaupt gehen sollte. Ich hatte ungefähr vier Stücke im Drehorgelstil geschrieben und zeigte diese dem Blockflötisten Andreas Böhlen. Schnell hatten wir die Idee, ein ganzes Konzertprogramm zu entwickeln und extra dafür ein neues Ensemble zu gründen: die „Basler Blockflöten-Band“. Mit diesem Ensemble haben wir auch viel experimentiert, Grenzen ausgelotet und unterschiedliche Stile miteinander vermischt. Das machte extrem viel Spaß und ich bin gespannt, welche Pfade wir mit dem Ensemble in Zukunft noch einschlagen werden.

Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Derzeit arbeite ich hauptsächlich an zwei Großprojekten mit Chor- und Orchester-Aufnahmen im kommenden Januar. Danach wäre – zumindest kurzfristig – „weniger arbeiten“ ein ganz schöner Plan für die Zukunft. Es gibt nur einen Haken: Im Nichtstun bin ich ziemlich schlecht!

Das Interview führte Antonia Krödel
Foto: Raphael B. Meyer

*Die Noten zur „Flötenorgel“ werden in fünf Bänden erscheinen.